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Es gibt nichts Schöneres für einen Angler, als nach langer Winterpause endlich wieder ans Wasser gehen zu können. Natur genießen, angeln und wenn es dann noch so richtig in der Rute rappelt und man am Abend ein schönes Stück Fisch auf dem Teller hat, dann ist die Welt in Ordnung. Klingt idyllisch, warum also über Ethik nachdenken.
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Trotz guter Argumente und Sachlichkeit meinerseits wurde es schnell hitzig und unschön…
Der Grund für mich, hier etwas über dieses Thema zu schreiben, war eine Unterhaltung in den sozialen Medien, die ich gestern Abend geführt habe. Trotz guter Argumente und Sachlichkeit meinerseits wurde es schnell hitzig und unschön. Was war der Grund dafür?
Der betreffende Angler hatte ein Bild von seinen Fängen gepostet. Das Bild zeigte drei Bachforellen, ausgenommen auf einem Betonboden, am unteren Ende noch die Füße des Angelfreundes. Stolz verkündet er im Text, dass der Saisonstart super läuft. Der zweite Hattrick – bereits am Tag zuvor hatte er sein Bag-limit (Fanglimit) von drei Forellen ausschöpfen können. Normalerweise könnte man in diesem Fall ein „Petri“ wünschen – normalerweise. Andere Angelfreunde störte die Verhaltensweise des Anglers ebenfalls und sie schrieben ihm ein paar Worte als Denkanstoß. Darunter die Frage: „Was wäre, wenn jeder jeden Tag sein Bag-limit ausschöpfen würde?“. War das der Beginn einer klassischen Neiddebatte? – Nein, das bestätigte sich beim Lesen eher nicht. Stattdessen ging es hin und her und es wurde heiß diskutiert. Letztlich gebe ich dem Angler grundsätzlich Recht. Er hat rein rechtlich nichts falsch gemacht. Aber ist sein Verhalten in den Tagen schwindender Fischbestände aufgrund sich verändernde Umweltfaktoren und wachsenden Prädations- und Angeldrucks noch zeitgemäß? Ist dieses Verhalten in solchen Zeiten ethisch noch vertetbar?
Um diese Fragen zu klären, sollte ich erst einmal kurz etwas zum Begriff Ethik im Allgemeinen sagen. Die Ethik hat das sittliche und moralische Verhalten des Menschen zum Gegenstand. Sie ist die Lehre menschlichen Handelns auf Basis der Unterscheidung von Gut und Böse. Schlicht, sie beschreibt Handeln, welches die Gesellschaft als korrekt oder falsch ansieht, welches also moralisch oder unmoralisch ist. Damit ist sie Grundlage für die Definition von gesellschaftlichen Normen und Werten, also genau den Dingen, die eine Richtschnur für ein gedeihliches menschliches Zusammenleben bilden.
Wenn aber das Handeln des Anglers rechtlich korrekt war, was hat er dann falsch gemacht…
Wenn aber das Handeln des Anglers rechtlich korrekt war, was hat er dann falsch gemacht? Erübrigt sich eine Diskussion hierüber nicht automatisch? Die Antwort lautet ganz klar: „Nein“. Recht und Gesetz sind eine Sache, die sich aus moralischen Werten entwickelt haben und die durch die Gesellschaft festgeschrieben wurden. Aber die Gesellschaft entwickelt sich stetig weiter. Aufgrund verschiedener Einflussfaktoren werden bestehende moralische Werte immer wieder hinterfragt, geprüft und unterliegen daher im Laufe der Zeit gewissen Veränderungen. Das wiederum kann sich einige Zeit später auch in einer Gesetzesänderung niederschlagen. Was also stört die Kritiker am Handeln des Anglers? Mir sind zwei wesentliche Dinge aufgefallen. Einerseits die rigorose Ausschöpfung des Bag-limits in Zeiten schwindender Ressourcen. Andererseits der Umgang mit dem Lebewesen Fisch.
Wir Angler sollten uns bewusst werden, dass wir privilegiert sind…
Da sich Punkt zwei recht schnell abhandeln lässt, fangen wir damit an. Wir Angler sollten uns bewusst werden, dass wir privilegiert sind. Wir haben die Möglichkeit auf Ressourcen zuzugreifen, auf die andere Menschen keinen Zugriff haben. Wir dürfen in unseren Gewässern Fisch fangen und entnehmen. Fischfang in natürlichen Beständen ist nachhaltig und ökologisch. Somit ist der Fisch für uns Angler nicht nur eine willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan. Er ist eines der nachhaltigsten und ökologisch wertvollsten Lebensmittel, die wir gewinnen können. Unsere Fischbestände wachsen unter natürlichen Bedingungen auf, ohne Zufütterung, ohne Antibiotika in einem ausreichend großen Lebensraum. Fische werden von uns Anglern direkt vor Ort gefangen und versorgt. Kein Transport zum Schlachthof, keine Verschwendung weiterer Ressourcen, wie Strom oder Benzin. Besser geht es nicht.
Hierfür sollten wir Angler dankbar sein und dem Lebewesen Fisch auch mit entsprechendem Respekt gegenübertreten. Bei Naturvölkern ist das eine Selbstverständlichkeit. Fischfang zur reinen Befriedigung persönlicher Bedürfnisse oder um sich mit einer Bildtrophäe brüsten zu können, wird von der Gesellschaft inzwischen als sehr kritisch eingestuft. Aber auch das Ausschöpfen von Limits in Zeiten knapper werdender natürlicher Ressourcen wird mit Argwohn betrachtet. Immer wieder werden wir Angler deswegen von Natur- und Tierschützern angefeindet. In der Gesellschaft vollzieht sich ein Wandel, der früher oder später auch uns Angler betrifft. Wir sollten also mit Fingerspitzengefühl vorgehen, denn wir bewegen uns mit unserem Handeln auf Messers Schneide.
Ein paar auf kahlen Betonboden gelegte, ausgenommene Forellen, die dann mehr schlecht als recht als Trophäe abgelichtet und in den sozialen Medien gepostet werden zeugen meiner Meinung nach von mangelndem Respekt vor dem Lebewesen Fisch. Die tote Oma bahren wir doch auch nicht auf der Straße auf, die bekommt einen schönen Sarg oder eine verzierte Urne. Wir gießen wir mit solchen Posts Öl in die Feuer derer, die uns die Angelei verleiden wollen. Jeder postet seinen Fang und brüstet sich damit. Klar, dass das bei den Tierschützern das Bild vom tierquälenden und fischmordenden egoistischen Angler verfestigt. Einen tollen Fang kann man schon mal zeigen. Ein kapitales Exemplar zeugt von anglerischem Können und guter Hege der Fischbestände. Aber dann bitte mit dem gebotenen Respekt und Weitblick.
Fraglich erscheint mir in diesem Zusammenhang auch die Entnahme von sechs Fischen an zwei Tagen. Ich muss dazu sagen, dass der Angler alleinstehend ist. Diese Menge Fisch kann von ihm allein also gar nicht frisch verwertet werden. Und wenn wir mal ehrlich sind – ein frischer Fisch schmeckt ganz anders als ein Exemplar, dass mehrere Wochen in der Tiefkühltruhe gelagert hat. Auch das ist ein Zeichen von Respekt gegenüber dem Lebewesen. Nur so viel Fisch fangen, wie man tatsächlich frisch verwerten kann.
Es stellt sich die Frage, ob man dieses Limit an jedem Angeltag ausschöpfen sollte…
Damit wären wir bei Punkt 1, dem Fang-Limit oder eben neudeutsch Bag-Limit. Es stellt sich die Frage, ob man dieses Limit an jedem Angeltag, sofern möglich, auch wirklich ausschöpfen sollte. Die einen meinen „Ja“ und argumentieren, dass sie Beiträge und Gewässerkarte bezahlt haben: „Das muss schließlich wieder reinkommen!“. Andere argumentieren, dass das Limit ja vorgegeben ist und wenn man es einhält, dann wird der Fischbestand nicht geschädigt. Dem entsprechend wäre es legitim. Doch entsprechen solche Aussagen der Realität? Meiner Kenntnis nach nicht.
Viele Vereine bewirtschaften ihre Gewässer seit vielen Jahren, doch über den tatsächlichen Fischbestand haben sie keinerlei Kenntnis. Angelbedingungen werden dem entsprechend „Pi mal Daumen“ festgelegt, frei nach dem Motto: „Haben wir schon immer so gemacht!“. Mit fundierten Zahlen und am Fischbestand orientiert zu arbeiten ist unwahrscheinlich schwer und aufwendig. Das muss ich seit einiger Zeit als Vorsitzender auch an meinem Gewässer erfahren. Wir haben seit mehreren Jahren begonnen, entsprechende Zahlen über die Fangstatistiken und über durchgeführte Elektrobefischungen zu erfassen. Wirklich belastbar ist das Material aber nicht. Dazu kommen sich ständig ändernde Faktoren wie erhöhter Prädationsdruck durch den Kormoran, Wasserstandsschwankungen, Bauarbeiten oder supertrockene Sommer. All diese Faktoren machen eine Bewirtschaftung und Entscheidungen in diesem Zusammenhang noch schwieriger. Wir wissen also nicht, ob unsere Angelbedingungen tatsächlich den Bedingungen in unseren Gewässern gerecht werden. Sollte man unter diesen Umständen also tatsächlich immer seine Limits ausschöpfen. Ich sage „Nein!“. Auch hier ist Augenmaß und etwas Zurückhaltung gefragt – zum Wohle aller.
Wird nämlich ein Gewässer aufgrund oben genannter Umstände fehlbewirtschaftet und es entsteht ein Schaden im Fischbestand, so fällt dies immer wieder auf die Angler zurück. Wir liefern wieder Munition für die Angelgegner: „Sieh an, sieh an. Die Burschen angeln doch tatsächlich um jeden Preis und machen dabei die Ökosysteme kaputt – Hauptsache Fisch in der Tasche!“ höre ich sie schon sagen.
Aber auch anderen Anglern gegenüber ist es nur fair das Limit nicht immer auszuschöpfen. Ein kleines Rechenbeispiel: Ein kleiner Verein mit 35 Mitglieder bewirtschaftet einen Mittelgebirgsflussabschnitt von 7,5km Länge und durchschnittlich 15m Breite – die Wasserfläche entspricht rund 10 ha. Der Fluss ist strukturreich mit vielen Gumpen und Meandern. Seit Jahren steht es gut um den Fischbestand. Es gibt Äschen, Bachforellen, Döbel, ein paar Barben, Weißfische und viele Kleinfischarten, wie Elritzen, Mühlkoppen und Schmerlen. Alles in Allem ein gesunder Fluss.
Ein solches Gewässer hat in der Regel einen Ertrag von 50kg/ha. Soll heißen, die Angler könnten bei 10 ha Gewässerfläche im Jahr 500 Kg Fisch entnehmen, ohne dass der Bestand Schaden erleidet. Oder doch nicht? Der Ertrag bezieht sich natürlich nicht nur auf die befischbaren Arten, sondern auf alle im Fluss vorhandenen Fische. Also muss man die Artenstruktur kennen, um eine Aussage treffen zu können, wie hoch die Entnahmen bei den befischbaren Arten sein dürfen. Geht man von den fischfaunistischen Referenzen für einen solchen Mittelgebirgsfluss aus, so sollten sich dort etwa 22% Bachforellen, 20% Äschen und 40 % Kleinfischarten tummeln. Die restlichen Prozente verteilen sich auf diverse Fischarten, die im einstelligen Prozentbereich vorhanden sind. Der Einfachheit halber vernachlässige ich diese in der Rechnung.
Da die Angler es natürlich auf Forelle und Äsche abgesehen haben, sind dies die Hauptzielfische, die entnommen werden. Da aber der Bestand an Forellen und Äschen insgesamt 42% beträgt, darf sich der abschöpfbare Ertrag auch nur auf diese 42% beziehen. Bei 500Kg Gesamtertrag sind das also 210kg an Äschen und Forellen, die entnommen werden können, ohne Schaden anzurichten.
Die Angler haben ein Baglimit von 3 Salmoniden am Tag festgelegt. Gehen zehn Vereinsangler regelmäßig angeln und gehen wir davon aus, dass sie das Baglimit jeden Tag ausschöpfen, dann könnten diese 10 Mitglieder jeweils 21 Tage angeln gehen, wenn die gefangene Fischmenge etwa 1 Kilogramm beträgt (was etwa 330g je Fisch wären, das entspricht in etwa einer maßigen Forelle von 30cm). Die anderen 25 Angler würden in die Röhre gucken und könnten nichts mehr fangen. Klar verteilen sich die Fänge und Fangtage in Realität anders. Bei 35 regelmäßigen Anglern betragen die Tage, an denen jeder das volle Limit ausschöpfen kann, nur noch 6 Angeltage. Das heißt, bei gerechter Verteilung könnte jeder Angler aus dem Verein maximal 6 Kilogramm Fisch fangen und das Gewässer wäre für die Fischarten Bachforelle und Äsche am Jahreslimit. Bei dieser Rechnung sind aber keine Unwägbarkeiten wie Gastkartenverkauf oder übermäßiger Prädationsdruck durch den Kormoran eingerechnet. Zudem weiß der Vorstand nie, wann das Limit tatsächlich ausgeschöpft ist. Ob man dieses eingehalten hat, erfährt man immer erst im Winter, wenn die Fangkarten ausgewertet werden. In einem guten Fangjahr kann da das Kind aber schon in den Brunnen gefallen sein. Die Angler haben vielleicht das Limit um 20 oder 30 Prozent überzogen. All diese Fische stehen dem Bestand im Fluss für eine ausreichende Reproduktion nicht mehr zur Verfügung – Ergebnis: Der Ertrag sinkt. Logische Folge wäre eine Anpassung des Limits im nächsten Jahr. Allerdings wird der Vorstand diesbezüglich mit Gegenwind rechnen müssen.
Und was passiert erst, wenn ein Kormoranpärchen hinzustößt, welches ganzjährig in diesem Gewässerabschnitt jagt. Mindestfuttermenge 350g pro Tag, also 700g bei zwei Exemplaren. Das Ganze mal 365 Tage macht rund 250 kg Fisch, die vom Gesamtertrag abgezogen werden müssen. (Ihr seht, bei zwei Paaren vor Ort können die Angler gleich zu Hause bleiben) Bleiben bei 500 kg also 250kg für die Angler, von denen aber nur 42 % auf Forellen und Äschen entfallen. Macht nach Adam Riese 105 kg Forellen und Äschen für die Angler. Aufgeteilt auf die 35 Vereinsangler sind das 3 Kg je Angler. Macht also 3 Angeltage mit Ausschöpfung des Fanglimits. Mit jedem weiteren Kormoran oder jeder Woche Niedrigwasser in der Laichzeit verringert sich der Ertrag. Im Übrigen der Ertrag des Gewässers kann auch nicht durch Besatz gesteigert werden, denn er bestimmt sich über alle Faktoren im Ökosystem. Futter ist ja nur ausreichend für eben diese 50kg Ertrag vorhanden.
Es ist also auch ein Gebot der Fairness gegenüber anderen seine Limits nicht immer voll auszuschöpfen…
Kommen wir wieder auf unseren Angler vom Anfang zurück. Er hat insgesamt 6 Forellen gefangen, davon mehrere die wesentlich größer als das Schonmaß waren. Letztlich hat er mit Ausschöpfung seines Limits an diesen zwei Tagen sein gesamtes Limit für das Jahr aufgebraucht, würde er an unserem Fluss aus dem Rechenbeispiel angeln. (Der Fluss, um den es bei ihm geht, ist im Übrigen ertragsmäßig nicht anders strukturiert). Jeder weitere Fisch den er also im Jahresverlauf fängt, steht also einem anderen Angler nicht mehr zu Buche. Es ist also auch ein Gebot der Fairness gegenüber anderen seine Limits nicht immer voll auszuschöpfen.
Für jeden Gewässerbewirtschafter ist es zudem unwahrscheinlich schwer die Gewässer zu bewirtschaften. Die Bedingungen sind schlecht, die Datenlage ist nicht besser (insbesondere weil viele ihre Fangstatistik schlecht führen) und wenn man doch ein paar zusätzliche Karten verkaufen will, muss man das Angebot attraktiv gestalten, also gestattet man nicht nur die Entnahme eines Fisches pro Tag sondern drei. Sonst kommt ja keiner und es besteht immer noch die Hoffnung, dass nichts gefangen wird und somit die Bestände geschont werden. Was wirklich los ist, das weiß keiner. Ich erlebe nur immer wieder dass die Angler ab der Hälfte des Jahres über stark abnehmende Fänge klagen – woran das wohl liegen wird????
Die Österreicher sind uns da schon in vieler Hinsicht voraus. Dort begrenzt man die Beangelung solcher Gewässer auf 10 Angeltage je Angler. Die übrige Zeit kümmert man sich um das Gewässer und betreibt Hege. Es kann auch viel Freude bereiten den Fischen unter „die Flossen zu greifen“ und zu Beobachten wie sich durch die eigene Arbeit die Bedingungen in der Natur verbessern und wie sich die Fische entwickeln. Wenn man dann seine 10 Angeltage ganz bewusst nutzt, bekommt die eigene Arbeit einen wesentlich höheren Wert. Das zeigt: Angeln ist eben doch mehr als nur Fische aus dem Wasser zu ziehen. Das weiß die Gesellschaft inzwischen, nur in den Köpfen der Angler ist es leider noch nicht flächendeckend angekommen.
Denkt mal drüber nach – und bitte kommt mir jetzt nicht mit Catch & Release als Ausweg, das ist tierschutzrechtlich und ethisch keine Option – aber das ist ein Thema für einen anderen Essay.
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